Beschreibung des Projekts
„Sonderpädagogische Gutachten, wie immer sie auch formuliert oder welche Maßnahmen darin vorgeschlagen sein mögen, haben für die betroffenen Kinder und deren Familien eine schicksalhafte Bedeutung. Dies verlangt, daß die begutachtenden Lehrkräfte sich dieser Aufgabe fachlich kompetent und verantwortungsbewußt zuwenden. Dazu müssen sie aber auch Arbeitsbedingungen für diese Tätigkeit vorfinden, die es ihnen erlauben, das jeweils Bestmögliche zu tun.“ (Langfeldt, 1998, S. 2)
In Mecklenburg-Vorpommern ist der Anteil der Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf mit 10,4 % im Vergleich zum Bundesdurchschnitt (6,0 %) überdurchschnittlich hoch (Kultusministerkonferenz, 2010; Statistisches Bundesamt, 2010).
In Diskussionen über die Gründe für dieses Phänomen taucht immer wieder die Vermutung auf, dass eine fachlich zu hinterfragende weite Definition von sonderpädagogischem Förderbedarf und eine zu undifferenzierte und unpräzise sowie verfrühte Diagnostik des Förderbedarfs die berichteten auffällig hohen Häufigkeiten mit bedingen. Nach der Definition der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland ist sonderpädagogischer Förderbedarf „bei Kindern und Jugendlichen anzunehmen, die in ihren Bildungs-, Entwicklungs- und Lernmöglichkeiten so beeinträchtigt sind, dass sie im Unterricht der allgemeinen Schule ohne sonderpädagogische Unterstützung nicht hinreichend gefördert werden können“ (Drave, Rumpler & Wachtel, 2000, S. 28). Vor diesem Hintergrund sind verschiedene Fragen zu beantworten:
Welche Merkmale kennzeichnen die diagnostizierten Kinder und Jugendlichen, bei denen in Mecklenburg-Vorpommern ein sonderpädagogischer Förderbedarf festgestellt wird? Bei welcher „Befundlage“ wird von sonderpädagogischem Förderbedarf gesprochen bzw. wie wird die allgemeine Definition der Kultusminister der Länder in Mecklenburg-Vorpommern ausgelegt?
Welche Güte weisen die sonderpädagogischen Gutachten auf, in denen ein sonderpädagogischer Förderbedarf festgestellt wurde? Wurden z. B. die verwendeten diagnostischen Verfahren in Anbetracht der Ergebnisse einer hypothesengenerierenden explorativen Phase im diagnostischen Prozess ausgewählt oder erscheint die Auswahl eher unbegründet? Sind die Aussagen und Entscheidungen im Gutachten inhaltlich nachvollziehbar und fachlich vertretbar?
Unter welchen Rahmenbedingungen wurden im Untersuchungszeitraum in Mecklenburg-Vorpommern sonderpädagogische Gutachten geschrieben?
Antworten auf die genannten Fragen sollen die Diskussion um erhöhte Häufigkeiten von Kindern und Jugendlichen mit sonderpädagogischem Förderbedarf um Fakten und neue Erkenntnisse bereichern und ebenfalls einen Beitrag zur ersten Abschätzung des Ausbildungsstandes von Sonderschullehrkräften in Mecklenburg-Vorpommern im Bereich Diagnostik leisten. Diese Informationen sind insofern interessant, weil die Güte sonderpädagogischer Diagnostik sowohl für die Feststellung von sonderpädagogischem Förderbedarf als auch als Grundlage für Förderentscheidung von besonderer Bedeutung ist. Insbesondere vor dem Hintergrund der UN-Behindertenrechtskonvention stellt sich die Frage, welche Aus- und Weiterbildungsangebote Sonderpädagogen in Mecklenburg-Vorpommern benötigen, um im präventiven und integrativen Kontext angemessen Diagnostik durchführen zu können. Langfristig wird durch die Studie angestrebt, zu einer Qualitätssteigerung der diagnostischen Praxis in Mecklenburg-Vorpommern beizutragen. Um dies zu erreichen, könnten in Anschlussprojekten Handlungsempfehlungen für die Weiterentwicklung sonderpädagogischer Begutachtung im Kontext von Prävention und Integration erarbeitet werden.
Ziel der Untersuchung ist also die Beschreibung und Beurteilung der Strukturelemente und der Qualität der sonderpädagogischen Begutachtung zur Feststellung des sonderpädagogischen Förderbedarfs in Mecklenburg-Vorpommern. Es erfolgt eine qualitative Einschätzung der sonderpädagogischen Begutachtung aus verschiedenen theoretischen Perspektiven. Hierzu findet eine Gutachtenanalyse von im Schuljahr 2008/09 verfassten Gutachten statt, zudem wird ein Lehrerfragebogen eingesetzt.
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