Das Material

Das Projekt HistoTec steht für Technologie und Didaktik für inklusives historisches Lernen und entstand aus der Idee heraus, die Potentiale der digitalen Technologien, die sich für das historische Lernen ergeben, auch für Schülerinnen und Schüler mit kognitiven Beeinträchtigungen und damit für das inklusive Lernen nutzbar zu machen.

Mehrwert und Zielstellung

Das Potential digitaler Technologien für das  historische Lernen von Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen liegt insbesondere darin, dass Gegenstände und Räume anschaulich und unabhängig von Zeit und Raum in das Klassenzimmer geholt werden können. Mittelalterliche Handwerksgeräte, Kleidung sowie Wohnhütten bis hin zu Befestigungsanlagen oder ganze geographische Oberflächenstrukturen lassen sich im Klassenraum beliebig oft materialisieren. So können Originalschauplätze besucht werden – ungeachtet der Mobilitätsvoraussetzungen der Schülerinnen und Schüler und nebenbei ganz ohne Schulfahrtenantrag und -finanzierung.

Ob diese Präsentationsform den Besuch am Originalschauplatz gänzlich ersetzen kann, bleibt mehr als fraglich. Im besten Falle aber kann sie den Unterricht für Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen bereichern und bietet jenen, denen der originale Schauplatz sonst verwehrt bliebe, eine Möglichkeit, ihn auf diese Weise doch noch zu erfahren. Gerade der sprachlastige Geschichtsunterricht, der lange Zeit von der Erzählung der Lehrkraft lebte, kann von den Visualisierungsmöglichkeiten profitieren, indem die historische Narration im Klassenraum visuell angereichert wird.

Durch die Verwendung digitaler Geräte im historischen Lernen ergeben sich zwei grundsätzliche Zielstellungen:

  1. Jedes Thema verfolgt einen fachbezogenen Wissenszuwachs, über den die verschiedenen Dimensionen des historischen Lernens zum Tragen kommen.
  2. Jedes Thema verfolgt ebenso ein digitalitätsbezogenes Kompetenzziel, indem die Schülerinnen und Schüler die Technik als Hilfsmittel erleben, mit dem sich Lernorte und auch Vergangenes abbilden lassen.
Zum Nachlesen

Barsch, S., Degner, B., Kühberger, C. & Lücke, M. (Hrsg.). (2020). Wochenschau Geschichte. Handbuch Diversität im Geschichtsunterricht: Inklusive Geschichtsdidaktik. Wochenschau Verlag.

Völkel, B. (2017). Inklusive Geschichtsdidaktik: Vom inneren Zeitbewusstsein zur dialogischen Geschichte. Wochenschau Wissenschaft. Wochenschau.

Unterrichten mit digitalen Tools

Für das historische Lernen mit digitalen Technologien greift das vorliegende Material grundlegend auf historische (Lern)Orte in Mecklenburg-Vorpommern zurück. Von einer virtuellen Welt zu sprechen, würde an dieser Stelle zu weit gehen, denn die verwendeten Orte wurden weder virtuell konstruiert noch nachgebildet. Vielmehr handelt es sich um systematisch geführte 360°-Rundgänge, die mit Informationen angereichert sind.

Digitale Medien können erst lernwirksam sein, wenn sie sinnvoll in den Unterricht integriert werden und dadurch Lehr-Lernprozesse unterstützen. Wie kann das vorliegende Material sinnvoll eingesetzt werden, um die drei Basisdimensionen eines wirksamen Unterrichts, nämlich kognitive Aktivierung, konstruktive Unterstützung und Klassenführung (Trautwein, Sliwka & Dehmel, 2022, S. 5), sinnvoll zu unterstützen?

Das Potential des vorliegenden Materials liegt insbesondere in der kognitiven Aktivierung der Schülerinnen und Schüler. Es kann die Lernenden motivieren, sich intensiv mit dem Lerngegenstand auseinanderzusetzen (Eder, Scheiter & Lachner, 2023, S. 8). Dazu muss das Material so eingesetzt werden, dass die Lernenden die Unterrichtszeit nutzen können, um sich aktiv mit dem Thema auseinanderzusetzen (Meyer, 2020, S. 39). Die Lernpsychologie geht davon aus, dass das Lernen in vier Verhaltensmodi stattfindet: (1) Dabei stellt das Betrachten der digitalen Lernorte und auditives Konsumieren der zugehörigen Informationen als passiver Modus das geringste Aktivierungspotential dar. (2) Aktiv werden die Lernenden, wenn Sie Informationen aus dem Material heraussuchen können, indem sie bspw. zum richtigen Ort navigieren, Dinge und Gegenstände suche, abzählen oder beschreiben können. (3) Wenn die Schülerinnen und Schüler dann das gelernte Anwenden bzw. Hypothesen aufstellen, die über die vorgegebenen Informationen hinausgehen, dann befinden sie sich im konstruktiven Modus. (4) Im interaktiven Modus befinden sich die Schülerinnen und Schüler, wenn sie mit Figuren interagieren können (Eder et al., 2023, S. 8).

Das Material birgt vielfältige Anregungen für eine weitergehende aktive Auseinandersetzung nach der Informationsaufnahme via Rundgang oder 3D-Scan. Der Phantasie von Lehrkräften sind keine Grenzen gesetzt, sich aus dem Material ergebende oder zusätzliche Aktivitäten anzuregen. So kann das Brotbacken der Slawen von den Schülerinnen nachempfunden werden, wenn zuerst noch das Korn zu Mehl gemahlen werden muss. Eine mittelalterliche Burg kann im Unterricht mit Playmobilfiguren im Kleinformat eingesetzt werden, um die Verteidigungsanlagen zu verdeutlichen. Gleiches gilt für die mittelalterliche Stadtbefestigung, die mit Bausteinen nachgebaut werden kann. Und zum Leben in der DDR befinden sich auch heute noch viele Dinge im nahen Umfeld, die in den Unterricht mitgebracht werden können um die digitale Welt mit der analogen zu verzahnen.

Tablet

VR-Brille

Drohne

360-Grad Kamera

Zum Nachlesen

Eder, T., Scheiter, K. & Lachner, A. (2023). Einsatz digitaler Medien für einen wirksamen Unterricht: Wirksamer Unterricht Band 9 (Bd. 9).

Meyer, H. (2020). Was ist guter Unterricht? (15. Auflage). Berlin: Cornelsen.

Chi, M. T. H. & Wylie, R. (2014). The ICAP Framework: Linking Cognitive Engagement to Active Learning Outcomes. Educational Psychologist, 49(4), 219–243. doi.org/10.1080/00461520.2014.965823

Trautwein, U., Sliwka, A. & Dehmel, A. Grundlagen für einen wirksamen Unterricht: Wirksamer Unterricht Band 1 (2. Aufl., Bd. 1).

Materialaufbau und Verwendung
Bestandteile

Grundlage für jedes Thema bildet ein 360°-Rundgang. Zum Abspielen können Smartphones, Tablets oder auch VR-Brillen mit einer stabilen Internetverbindung genutzt werden. Die Rundgänge liegen auf dem Server der Universität Rostock und können über die nachfolgenden QR-Codes oder direkt über den jeweiligen Link abgerufen werden. Zu jedem Thema liegen die Bilddateien gesondert vor. Diese können auch unabhängig vom Rundgang verwendet werden. Zusätzlich existieren zum Thema Die Hexenverfolgung in der frühen Neuzeit von den Museumsexponaten und Räumlichkeiten komplette 3D-Scans in verschiedenen Dateiformaten, die über herkömmliche Endgeräte abgespielt und somit im Unterricht verwendet werden können. Zum Thema Die mittelalterliche Stadtbefestigung wurde darüber hinaus ein 3D-Modell erstellt.

Differenzierungsstufen

Die komplexen Themen werden auf zwei Niveaustufen differenziert dargeboten. a) einfache Sprache und b) leichte Sprache (nach den Hinweisen Netzwerk leichte Sprache).

Die Narrationen liegen auf jeder Niveaustufe sowohl auditiv als eingesprochene als auch visuell als geschriebene Texte vor.

Aufbau und Orientierung

Die Rundgänge sind grundsätzlich linear aufgebaut, d.h. die Lernenden können sich vor- oder zurückbewegen. Hierfür existieren eindeutige Buttons. Zwar gibt es beispielsweise im Slawendorf oder auf der Burg-Stargard Abzweigungen, hier werden die Lernenden aber wieder auf den jeweiligen Ausgangspunkt zurückgeführt. Einzig der Rundgang zur mittelalterlichen Stadtbefestigung ist sternförmig aufgebaut. Vom Ausgangspunkt können die vier Stadttore und die mittelalterliche Befestigungsanlage gesondert angesteuert werden.

Zur schnellen Orientierung ist jedes Bild mit einer Nummer im Bild versehen. Dieses findet sich direkt unter dem Betrachter, d.h. die Lernenden müssen den Blick nach unten wenden, um die jeweilige Zahl zu finden. Ebenso kann über die Menüleiste schnell in jedes beliebige Bild des Rundgangs gewechselt werden.

Zur Navigation wurden eindeutige Symbole genutzt, um zum nächsten Bild zu gelangen bzw. zum vorherigen Bild wieder zurückzugehen. Diese sind im nachfolgenden Material als Hinweiskarten aufgeführt, die zur Einführung mit den Schülerinnen und Schülern genutzt werden können. Die Navigationssymbole müssen von der Lehrkraft für den entsprechenden Rundgang ausgewählt werden, da von Rundgang zu Rundgang kleinere Unterschiede bestehen.

Verwendung im Unterricht

Das Material (360°-Rundgänge, 360°-Bilder, 3D-Scans) kann grundsätzlich mithilfe aller gängigen digitalen Endgeräte im Unterricht eingesetzt werden. Der Einsatz mit Smartphone über Laptop/PC/Tablet bis hin zur VR-Brille ist ebenso möglich, wie die Wiedergabe über einen Beamer. 360°-Rundgänge werden hierbei mit einem QR-Code abgerufen, wofür eine stabile Internetverbindung benötigt wird. Um die textbasierte Variante nutzen zu können, sollten Geräte mit größerem Bildschirm (bspw. Tablets) zur Anwendung kommen. Konzentrieren sich die Schülerinnen und Schüler hingegen auf die auditive Variante, dann sollten Kopfhörer bereitgestellt werden. Wenn die Lehrkraft den Rundgang mit den Schülerinnen und Schülern gemeinsam durchlaufen möchte, dann bietet sich der Einsatz eines Beamers an.

Sollen die 360°-Bilddateien oder 3D-Scans einzeln im Unterricht verwendet werden, so müssen diese im Vorfeld auf die Geräte der Schülerinnen und Schüler übertragen werden. Hier hängen die Verwendung und der Einsatz im Unterricht vom jeweiligen Gerät ab. Zwar ist das Tablet mittlerweile als Alltagsgerät auch im Leben von Schülerinnen und Schülern mit kognitiven Beeinträchtigungen angelangt. Dennoch erleichtert eine genaue Analyse der technischen Bedienkompetenzen von Schülerinnen und Schüler die Planung und die individuelle Vorbereitung der Unterrichtsstunde, um einen reibungslosen Ablauf und vor allem eine problemlose Wiedergabe im Unterricht sicherzustellen. Nichts ist für eine Lehrkraft anstrengender, als sich im Kreisel durch die Stunde zu drehen, damit auf allen Geräten das Richtige angezeigt wird.